Montag, 25. Februar 2013

Der 18-jährige Caol Ila




Mit dem 18-jährigen Caol Ila kann man als Schiffbrüchiger ohne Nahrung auf offenem Meer nicht länger überleben, als etwa mit einem kurzweiligen Buch, aber die Qual des Verhungerns bleibt einem für eine lange Zeit erspart. Der Nachgeschmack ist der Trumpfass dieses großartigen Islay Malts: man trinkt ihn egal zu welcher Speise, und hat noch Stunden hinterher das Gefühl, eben gerade ein prächtiges Steak gegessen zu haben, oder ein saftiges Lachsfilet, oder ein imposant mit Käse überbackenes Brötchen. Physiologisch gesehen und theoretisch betrachtet, müsste man längst wieder Hunger haben, aber der nichtendendlange Nachgeschmack des Caol Ila lässt den Hunger nicht zu, und erinnert stattdessen an die Szene aus dem Film Matrix (1999), in welcher der realitätsmüde Schurke sehr wohl weiß, dass das vortreffliche Steak nicht real ist, und es dennoch ohne große tagträumerische Anstrengung genießen kann. Wer einen 18-jährigen Caol Ila trinkt, der isst gratis dazu den Hunger weg, weshalb man, wäre man ein Arzt und ein humorvoller dazu, Abnehmwilligen diesen Whisky als Hungerkiller empfehlen könnte. Doch von der Frucht muss man sich hier entschieden verabschieden! Keine Illusionen, da sind weder helle noch dunkle Beeren, dafür jede Menge Holz; keine schokoladig sanfte Karamelligkeit wie etwa bei einem 18-jährigen Glenmorangie, einem 21-jährigen Balvenie oder einem 25-jährigen Glenfarclas, dafür frisches kaltes Wasser, in welches es reichlich vom Schaschlik tropft; nicht zuletzt getrockneter Fisch, den man gewöhnlich mit Kopf und Flossen isst. Dieser Whisky ist kein Schiffbruch, vielmehr ein Rettungsring auf rauer See aus schlechtem Wetter und eventuell nur mäßig begeisternder Gesellschaft.